münchen.t-online - Nachrichten für München
Such Icon
münchen.t-online - Nachrichten für München
Such IconE-Mail IconMenü Icon


München

Sozialwohnvermittlung in München: Mitarbeiterin mit schockierenden Aussagen


Wohnungskrise
"Du kommst in die Hölle" – Alltag in der Sozialwohnverwaltung

Von t-online, cgo

Aktualisiert am 28.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Warteliste für Sozialwohnungen (Symbolbild): Es gibt zehnmal so viele Berechtigte wie Wohnungen.Vergrößern des BildesWarteliste für Sozialwohnungen (Symbolbild): Es gibt zehnmal so viele Berechtigte wie Wohnungen. (Quelle: IMAGO/Sascha Steinach)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Wohnraum ist in der Region München knapp. Preiswerter Wohnraum noch knapper. Um Geringverdiener zu unterstützen, vermittelt die Stadt Wohnungen. Die Arbeit dort: hart.

Wer in Deutschland ein geringes Einkommen hat, hat häufig Anspruch auf eine Sozialwohnung. Das gilt auch für die Region München. So ist in einem der Landkreise der bayerischen Metropole beispielsweise ein mittelständisches Wohnungsunternehmen dafür verantwortlich, mehr als 1.400 Einheiten zu vermieten und verwalten. Dass dabei nicht immer alles glattläuft, liegt beinahe auf der Hand.

Bedrohungen, Zwangsräumungen und echte Härtefälle – t-online hat mit einer Mitarbeitenden über den Arbeitsalltag in der Sozialwohnvermittlung gesprochen.

Zwangsräumungen sind keine Seltenheit

"80 Prozent unserer Mieter sind ganz normale Menschen, mit denen es oft über Jahre hinweg überhaupt keine Probleme gibt", sagt eine 25-jährige Mitarbeiterin, die seit 2017 als Immobilienverwalterin im Sozialwohnbereich tätig ist. Die Bewohner der Anlagen seien jeden Alters und jeder Herkunft – junge Leute, Familien, Senioren und Alleinstehende.

Auch wenn die meisten Mieter unauffällig seien, gebe es eben auch die 20 Prozent, die herausstechen. "Wenn es wiederholt zu Problemen kommt oder unerlaubte Verhaltensweisen trotz zahlreicher Verwarnungen weiter fortgeführt werden, müssen wir eingreifen", berichtet die Angestellte. Heißt: Immer wieder gibt es Gerichtsverfahren und Zwangsräumungen. Nicht zuletzt, weil sich Mieter trotz Kündigung weigern, die Wohnungen zu verlassen.

Arbeit im Sozialwohnamt – in der Sprechstunde bedroht

Damit es gar nicht erst so weit kommt, bietet die Wohnungsgesellschaft zweimal pro Woche Mietern und Mietinteressenten an, ihre Anliegen und Befindlichkeiten in der "Mieter-Sprechstunde" loszuwerden. Durch eine Schutzwand getrennt, stehen ihnen die Mitarbeiter beratend zur Seite. Doch auch hier kommt es von Zeit zu Zeit zu Zwischenfällen.

"Du kommst in die Hölle", drohte beispielsweise ein Mieter der 25-Jährigen, während er erbost mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht rumfuchtelte. Der Grund für die Aufregung des Mannes seien Silberfischchen gewesen, die er in seiner Wohnung entdeckt hatte. Die Schuld daran sah er beim Wohnungsunternehmen. Als dieses einen Kammerjäger schickte, stellte der vor Ort fest, dass die Ursache eine falsche Belüftung der Wohnräume seitens des Mieters war.

Die Härtefälle: 815 E-Mails, tote Frösche und ein Lagerfeuer auf dem Balkon

Auch per Textnachricht machen viele Mieter ihrem Ärger Luft: So bombardiert ein Mann mittleren Alters die Mitarbeitenden in aller Regelmäßigkeit mit jedem noch so kleinen Anliegen – stolze 815 Mails hat der Mieter in den vergangenen drei Jahren an das Unternehmen adressiert. "Der Mieter, der eigentlich sogar nur der erwachsene Sohn einer Mieterin ist, schreibt uns bei der kleinsten Sache an, die ihn verärgert." So würde er sich zum Beispiel über am Sandkasten sitzende Eltern beschweren. Die hätten dort nichts verloren, immerhin sei der Sandkasten ja nur für die Kinder, zitiert die Immobilienverwalterin den Mann.

Auch mit Kriminalität sehen sich die Mitarbeitenden der Wohnungsverwaltung von Zeit zu Zeit konfrontiert. So "eröffnete" ein Mieter in seiner Sozialwohnung beispielsweise eine Art Geschäft und lagerte und verkaufte dort verbotenerweise Waren. Die Krönung: Der Mann trocknete tote Frösche im Treppenhaus, um diese als Delikatesse zum Kauf anzubieten. Gegen den Mann Ende 50 läuft nun ein Gerichtsverfahren.

In einem anderen Fall fühlte sich ein offensichtlich psychisch erkrankter Mieter von "seinem Gott" dazu berufen, seine Wohnung auszuräumen, um Platz für neue Möbel zu schaffen. Die alte Einrichtung zerkleinerte er und entfachte damit ein Lagerfeuer auf dem Balkon. Nicht nur das: Besagter "Gott" hatte ihm beispielsweise auch aufgetragen, seinen Mitmietern Lebensmittel zu schenken – infolgedessen warf der Mann Dutzende Backwaren in den Hof.

Neben kuriosen und kriminellen Geschichten erleben die Mitarbeitenden der Sozialwohnungsgesellschaft auch immer wieder traurige Schicksale: "Manche Mieter versterben unbemerkt und liegen dann wochenlang tot in der Wohnung. Nachbarn werden häufig erst auf den Verwesungsgeruch aufmerksam und rufen dann die Polizei."

Das sei vor allem immer wieder bei älteren Menschen ohne Angehörige der Fall, die schon vor ihrem Tod in Einsamkeit gelebt hätten. "Das ist dann schon sehr traurig", sagt die 25-Jährige.

Verstirbt ein Mieter, wird die Wohnung nach Sanierung und Reinigung von den Vermittlern weitergegeben – die Wohnung bekommt, wer auf der Warteliste ganz oben steht. Und die Liste ist lang: Laut Statistik gibt es rund zehnmal so viele Berechtigte wie Wohnungen. Häufig warten die Betroffenen Monate oder sogar Jahre auf eine feste Bleibe. Bis dahin werden sie von den Kommunen in Notunterkünften untergebracht.

Probleme auch in München: Tausende Sozialwohnungen fehlen

"Die Zahlen der Wohnanträge gehen seit einem Jahr in eine Richtung – und zwar nach oben", bestätigt Frank Boos vom Sozialreferat der Stadt München im Gespräch mit t-online. Zum Ende des Jahres 2023 würden bei der zuständigen Stelle der Landeshauptstadt mehr als 30.000 Anträge auf geförderte Wohnungen eingehen. Zu vergeben sind jährlich allerdings nur rund 3.000 Unterkünfte. Insgesamt verwaltet die Stadt München 48.000 Sozialwohnungen.

Trotzdem wolle man in der Region versuchen, möglichst vielen Menschen in möglichst kurzer Zeit ein "gemütliches" Dach über dem Kopf zu schenken. "Es ist unsere Aufgabe, den Leuten zu helfen", sagt die junge Immobilienvermittlerin. Dafür nehme man dann auch gerne den ein oder anderen schwierigen Mieter in Kauf, das "gehöre einfach zum Job dazu".

Verwendete Quellen
  • Interview der Redaktion
  • Telefonat mit dem Sozialreferat der Stadt München
  • Recherche der Redaktion
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website