Flugblatt-Eklat Historiker vermutet: Aiwanger wird in Bayern jetzt noch beliebter

Was bleibt von der Flugblatt-Affäre um den Freie-Wählern-Chef hängen? Ein Historiker ärgert sich über Söders Entscheidung.
Der renommierte Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz hat die Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) kritisiert, trotz der Flugblatt-Affäre an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) festzuhalten.
"Es bestürzt mich als Bürger, wie wenig sich Aufklärung durchsetzt", sagte Benz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Aiwanger warf er vor, durch die Affäre "nichts gelernt" zu haben.
Der Freie-Wähler-Chef stand laut "Süddeutscher Zeitung" in seiner Schulzeit in den 80er Jahren im Verdacht, ein antisemitisches Flugblatt verfasst und verteilt zu haben. Aiwanger hatte daraufhin eingeräumt, dass Exemplare eines antisemitischen Flugblatts in seinem Schulranzen gefunden wurden. Er bestreitet aber, der Urheber zu sein. Sein Bruder hatte am vergangenen Wochenende dafür die Verantwortung übernommen.
Der Historiker Benz sagt, dass die "offensichtlich rechtsextremistischen Aktivitäten" Aiwangers als Jugendsünden abgetan hätten werden können, "wenn er sich gleich klar dazu geäußert und seiner Scham Ausdruck verliehen hätte. Doch er hat nichts gelernt und schiebt unter Druck seinen Bruder vor."
Zudem hätten Aiwangers öffentliche Auftritte ihn zuletzt "in die Nähe von Querdenkern gebracht", sagte der Antisemitismusforscher. "Das ist zusammen genommen ein so starkes Stück, dass ich Aiwanger nicht mehr an der richtigen Stelle sehe."
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Historiker kritisiert Söders Entscheidung
Söder hatte am Sonntagvormittag in einer Stellungnahme zu der Affäre erklärt, eine Entlassung Aiwangers wäre in der "Gesamtabwägung" nicht verhältnismäßig. Allerdings kritisierte er das Krisenmanagement seines Stellvertreters.
Benz nannte Söders Entscheidung "schwierig bis verheerend". "Ob das eine Zäsur ist, werden wir nach der Landtagswahl wissen. Aber ich vermute, Aiwanger wird eher Stimmen gewinnen als verlieren", sagte der Historiker.
Laut einer Befragung des Bayerischen Rundfunks (BR) aus dem Mai zählt Aiwanger zu den beliebtesten Politikern im Freistaat – knapp hinter Markus Söder. 43 Prozent der Bayern sind mit dem CSU-Politiker zufrieden, mit Aiwanger immerhin 39 Prozent.
Im Oktober wird in Bayern der Landtag neugewählt: In den letzten Umfragen kommen die Freien Wähler auf Werte zwischen 11 und 13,5 Prozent. Eine Fortsetzung der Koalition mit Söders CSU, die zwischen 37 und 39 Prozent Zustimmung schwebt, wäre damit wohl möglich.
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur AFP
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