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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Universität schweigt LMU-Professor ist Herausgeber von "Querdenker-Zeitung"
Ein Uni-Professor aus München wird zum Herausgeber einer "Querdenker"-Wochenzeitung, deren Autoren teilweise Ideengeber der Neuen Rechten sind.
Die Wochenzeitung "Demokratischer Widerstand" gibt es seit Anfang 2020. Verschwörungsideologen und Extremisten gründeten sie zum Beginn der Corona-Pandemie. Zahlreiche Autoren und Herausgeber werden sogar vom Verfassungsschutz beobachtet. Jetzt hat die Wochenzeitung einen neuen Herausgeber, und das ist pikant. In einem Video vom 19. März begrüßen die bisherigen Mit-Herausgeber Anselm Lenz und Hendrik Sondenkamp den Universitätsprofessor Michael Meyen von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Meyen ist dort Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft.
"Ich freue mich sehr über die Zusammenarbeit", sagt Meyen im Video. Der Mann war zu DDR-Zeiten SED-Mitglied und hatte in Leipzig Journalistik studiert.
Schon 2020 eckte Meyen an der Universität an. Dort distanzierte sich die Leitung des Fachbereichs, weil er dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen ein Interview gab und in einem privaten Blog umstrittene Aussagen machte. 2021 wurde erneut Kritik laut, als er unter den Quellenverweisen seiner Universitäts-Präsentationen bekannte Verschwörungsideologen aufgeführt hatte.
Im Visier des Verfassungsschutzes
Die Zeitung, die der Uni-Professor nun mit herausgibt und für die er auch schreibt, verbreitete sich in den Jahren der Corona-Pandemie zunehmend. Eigenen Angaben des Mediums zufolge erreicht der "Demokratische Widerstand" zurzeit rund 200.000 Leser in ganz Deutschland.
Für die Wochenzeitung schreiben Autoren wie Anselm Lenz, bekannt als Verschwörungsideologe, Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins "Compact", und Götz Kubitschek, Mitbegründer des vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als rechtsextremistisch eingestuften "Instituts für Staatspolitik". Alle drei sollen im Visier des Verfassungsschutzes sein, wie verschiedene Medien übereinstimmend berichten. Lenz und Sodenkamp wurden bereits wegen übler Nachrede verurteilt.
Artikel sind demokratiefeindlich
Die Beiträge der Autoren in dem Druckwerk werden außerhalb einer kleinen Szene kaum wahrgenommen, dabei nutzen sie hanebüchene Formulierungen. In Bezug auf Michael Ballweg, dem Gründer einer "Querdenker"-Gruppierung, sprechen sie etwa von "Folterhaft". Ballweg sitzt seit vergangenem Jahr im Gefängnis wegen des Verdachts, dass er eigentlich für Demonstrationen vorgesehene Gelder veruntreut habe. In der Zeitung war außerdem zu Beginn der Corona-Pandemie die Behauptung zu lesen, die "Regierungen der Welt" hätten der Menschheit den "Krieg" erklärt.
Auch Illustrationen in der Zeitung sind besonders heikel. Auf einem Bild sitzen Olaf Scholz (SPD), Jens Spahn (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Heiko Maas (SPD) auf der Anklagebank im Gerichtssaal der Nürnberger Prozesse.
Neben Meyen ist auch der bekannte Philosoph Giorgio Agamben aus Italien Herausgeber. In einem aufgezeichneten Gespräch mit Corona-Gegnern verglich er die Entscheidungen der Politik während der Pandemie mit den Maßnahmen der Nationalsozialisten in den 1930er Jahren.
Mit-Herausgeber Hendrik Sodenkamp und Anselm Lenz standen sogar schon vor Gericht. Sodenkamp hatte den früheren Gesundheitsminister Spahn als "kokainsüchtig" beschimpft. Lenz wurde dafür in die Mitverantwortung gezogen.
Professor äußert sich bislang nicht
Wie Michael Meyen seine Tätigkeit für die Wochenzeitung selbst bewertet und in welchem Verhältnis er zu den umstrittenen Mit-Herausgebern steht, ist unklar. Die Pressestelle der Ludwig-Maximilians-Universität und Meyens Sekretariat ließen eine Anfrage von t-online bislang unbeantwortet. Auf Twitter werden bereits kritische Stimmen laut, die den Druck auf die Universität erhöhen dürften.
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"Es ist für mich unverständlich, wieso niemand bislang über diese Wochenzeitung spricht", sagt einer, der selbst für die Zeitung schrieb: Martin Lejeune war Querdenker-Propagandist, bis er im Sommer 2021 bei t-online öffentlich seinen Ausstieg aus der Szene erklärte. Seither hat er in seinem Blog mehrfach kritisch über das Medium berichtet und versucht seit Ende 2021, Maßnahmen gegen die Art der Berichterstattung im "Demokratischen Widerstand" zu erreichen.
Zunächst schickte er aus seiner Sicht hochproblematische Texte an die Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Die verwies ihn an den Presserat, der sich aber über seine Zuständigkeit noch nicht schlüssig ist. Der Presserat plane das Thema erst in seiner nächsten Sitzung aufzugreifen.
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- Telefonat mit Journalist Martin Lejeune
- zeit.de: "Ein Prof driftet ab"