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Zum journalistischen Leitbild von t-online."In diesem Land läuft etwas verkehrt" Wo auch Manuel Neuer residiert: Mietwucher am Tegernsee
Eine Dreizimmerwohnung für 4.000 Euro im Monat – der Mietwucher in der Luxusregion am Tegernsee, unweit von München, kennt keine Grenzen. Woran liegt das?
Kürzlich noch warnte Tegernsees Bürgermeister vor der Syltisierung seiner Kommune. Jetzt hat er sie. Denn die Immobilienpreise, ob Kauf oder Miete, liegen inzwischen auf Sylter Niveau. "Der Markt ist völlig überhitzt", beklagen lokale Politiker, "und für normale Bürger gibt es keinen Wohnraum mehr".
Es kommt, wie es kommen musste. Knappes Gut treibt die Preise, wenn es um Immobilien geht. Vor allem in der Stadt Tegernsee bleiben nur Hanggrundstücke. Ausnutzung aller möglichen Höhen und Flächen lautet die Devise angesichts von Grundstückspreisen, die am Tegernsee teils schwindelerregende Höhen erreicht haben.
Hier residiert auch Manuel Neuer
Dies gilt auch für den exklusiven Leeberg. Hier residiert auch FC-Bayern-Torwart Manuel Neuer, mit Blick weit ins Gebirge und über den See. Umso besser die Aussicht, umso teurer die Immobilie. Dies schlägt sich auch in den Mieten nieder. 5.000 Euro Kaltmiete für See- und Bergblick sind keine Seltenheit mehr. Angebot und Nachfrage geben solche Preise her.
Selbst wenn es sich um den "Ersten Platz in den Charts der Scheußlichkeiten" handelt, wie Tegernsees Grüner Stadtrat Marcus Staudacher das "Quartier Tegernsee" bezeichnete. Das Mega-Projekt "zwischen Tradition und Moderne", so die Werbung, entstand im Zentrum auf dem ehemaligen Krankenhausareal. Ein brauner Klotz mit Hotel und über 100 Eigentumswohnungen, der hohe Wellen schlägt. Beworben wurde er als "Hotel und drei Wohnresidenzen und Seeblick".
Mehr als eine Million Euro für eine 2-Zimmer-Wohnung
Doch den dürften nur die oberen Luxusetagen haben. Dort liegt die Miete für 98,5 Quadratmeter Wohnraum, verteilt auf drei Zimmer, bei stolzen 4.000 Euro pro Monat.
"Das gibt es halt", meinte Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) fast schon resignierend. Wessen Kontostand für die Aussicht nicht reichte, blickt nur auf gegenüberliegende Gebäude, wie das Feuerwehrhaus. "Reichtum am Limit – Hype um den Tegernsee", titelte Ende 2021 das Handelsblatt über die "schönste und teuerste Käseglocke Deutschlands". Nirgendwo sonst werde so ungeniert mit Betongold spekuliert.
Die weniger Betuchten haben das Nachsehen. Es entsteht kaum bezahlbarer Wohnraum für Einheimische, für Arbeitnehmer. Meist werden am "Lago di Bonzo" nur Zweitwohnsitze hochgezogen oder Luxusvillen in Seenähe. Da dürfen dann in Rottach-Egern 6.000 Quadratmeter Grund schon einmal 30 Millionen Euro kosten. Und Dachgeschosswohnungen unweit davon in einer Wohnanlage sind für knapp sechs Millionen wahre Schnäppchen. Selbst für 2-Zimmer mit Hobbyraum, kein Neubau, wird bereits über eine Million verlangt.
"In diesem Land läuft etwas verkehrt"
Diese Immobilienblase am Tegernsee kennt Josef Bogner wie kaum ein anderer. Er ist Gastronom eines viel besuchten Gasthofs und Gemeinderat von Rottach-Egern. Bei ihm gehen sie ein und aus, die Einheimischen und die mit Landhausmoden verkleideten "Zuagroasten" (Zugereisten). Bogner sind die explodierenden Immobilienpreise schon lange ein Dorn im Auge. Viele alteingesessenen Eigentümer können kaum noch die Erbschaftssteuer stemmen. Den Nachkommen droht die "Vertreibung aus dem Paradies", wie der Spiegel titelte.
"Es ist eine verfahrene Situation", klagt Bogner auf Nachfrage. "Die Baukosten sind exorbitant gestiegen und werden daher komplett auf die Miete umgelegt. Und die wird immer noch bezahlt. Die ganze Entwicklung aber ist eine Katastrophe. Wenn Wohnungen für 5000 Euro Mieter finden, dann läuft in diesem Land etwas verkehrt. Die Reichen werden immer reicher und die anderen bleiben irgendwo stehen. Für die Oberen dreht sich das Rad, den Unteren aber bleibt wenig".
- Gespräch mit Josef Bogner
- handelsblatt.com: "Reichtum am Limit – Hype um den Tegernsee"
- spiegel.de: "Vertreibung aus dem Paradies"
- Eigene Recherchen