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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Russischer Magnat Das Phantom vom Tegernsee
Einer der wichtigsten Magnaten Russlands kauft sich in Oberbayern ein und bleibt dennoch anonym. Allein die Notarverträge verraten ihn.
Während die Villen des "Putin-Freundes" Alischer Usmanow vergangene Woche von 120 Beamten gefilzt wurden, kommt ein einstiger Geschäftspartner von ihm bislang unbehelligt davon. Er ist quasi Nachbar Usmanows, besitzt als halber Milliardär seit Jahren zwei Villen in Tegernsee. Leicht ist es nicht, ihm auf die Spur zu kommen. Nur wer seine Geschäftsbeziehungen erforscht, kommt ihm ein wenig näher.
Wenige wissen etwas über ihn, seine Nachbarn in Tegernsee-Süd hüllen sich in Schweigen, er ist seit Putins Krieg in der Ukraine abgetaucht. Auch der Bürgermeister kennt ihn nicht. Über sein Privatleben ist selbst russischen Medien nur wenig bekannt, wie es heißt. Wer mehr über Shabalov erfahren möchte, muss sich meist auf unbekannte, schwer einzuschätzende Internetseiten verlassen.
"Sie werden ihn und seine Frau nirgendwo treffen. Es gibt keine Informationen über die Familie. Auf dem Foto ist Ivan Schabalov entweder allein oder mit Geschäftspartnern zu sehen. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass das Geschäft für Shabalov die einzige Verbindung im Leben wurde", beschreibt ihn etwa die Biografie der russischen Seite "IMHT" vom August.
Zweiter superreicher Russe am Tegernsee mit Millionen-Bilanz
Konnte oder durfte man nicht tiefer in die Recherche gehen, den Lesern in Russland womöglich nicht vor Augen führen, dass ein Hersteller von Pipelines für Gazprom im Westen, wie Shabalov es ist, in Saus und Braus lebt? Shabalov, der wie Usmanow auch in Usbekistan aufwuchs, verschleiert das geschickt. Beide kennen sich seit den Neunzigern, als es um den Einstieg in weitere Gazprom-Pipelines in den Westen ging. Auch am Tegernsee trennt sie nur eine kleine Bucht.
Hinter das Phantom Shabalov kommt, wer auch die Adresse einer seiner beiden Villen in Tegernsee kennt. Sie steht im Luxburgweg und am Namensschild die gleichnamige Firma, die Luxburg GmbH, die einst auch in München residierte. Laut Handelsregister wurde aus ihr inzwischen die Luxburg GbR in Gelsenkirchen. Die bislang letzte Bilanz mit knapp elf Millionen Euro wurde 2013 veröffentlicht, gezeichnet von "Dr. Ivan Shabalov", Wohnsitz Moskau.
Ivan Shabalov steht im Dunstkreis von Wladimir Putin
Dort wirken seine Geschäftspartner wie sein Auftraggeber Alexej Miller. Der Gazprom-Chef steht ebenso auf der EU-Sanktionsliste, genau wie die Brüder Arkadi und Boris Rotenberg, die seit 2010 Shabalovs Vertragspartner im Gasgeschäft sind und ebenfalls alte Bekannte von Wladimir Putin. Sie sollen Putin schon seit Kindestagen kennen und gemeinsam mit ihm Judo trainiert haben.
Laut "Forbes" ist Ivan Shabalov Mitglied einer Elitegruppe von Unternehmern, die als Könige der Staatsordnung bezeichnet werden. Er war auch am gestoppten Nord-Stream 2-Projekt beteiligt.
Wo es um Milliarden geht, sind Shabalovs Tegernseer Immobilien vergleichsweise Schnäppchen. 6,35 Millionen Euro zahlte seine Luxburg GmbH mit Firmensitz München 2007 für die Villa Luxburg aus dem 19. Jahrhundert. Sie steht auf einem 8.000 Quadratmeter großen Hanggrundstück mit See- und Bergblick. 2014 wurde die Villa auf die Gelsenkirchener Luxburg GbR überschrieben, die Shabalov und seiner Frau Liudmila Gai gehört. Seit Mai 2019 ist Shabalovs Tochter Anna Shabalova Eigentümerin der Villa.
Ähnlich verschleiert sind die wahren Besitzer der zweiten Immobilie in der Nachbarschaft. Die 1.200 Quadratmeter Grund erwarb für 700.000 Euro direkt die Gelsenkirchener Luxburg GmbH. Im Dezember 2019 wurde die inzwischen bebaute Immobilie an Sohn Pavel mit Wohnsitz Moskau für 2,76 Millionen Euro weitergereicht.
Der Kaufpreis ging laut Vertrag je zur Hälfte auf zwei getrennte Konten des Paares Shabalov und Gai bei der russischen Sberbank, die inzwischen auch auf der Sanktionsliste steht. Als Wohnsitz aber geben die Shabalovs eine Adresse in Lugano im Tessin an, wenngleich beide auch noch zypriotische Pässe besitzen sollen.
Oligarch in Bayern hat eine "atemberaubende Superjacht"
Die Beamten entdeckten auch Shabalovs Jacht "Soaring", die unter der Flagge Zyperns fährt. Gebaut wurde sie von der deutschen Jachtwerft Abeking & Rasmussen. "Erst vor wenigen Monaten gehörte Shabalov zu den Millionären, die ihre atemberaubenden Superjachten im berühmten St. Barthes präsentierten, um das neue Jahr in großem Stil zu begrüßen", schreibt das Onlineportal "autoevolution’s" in seiner Märzausgabe.
Doch das Glück währte offenbar nicht lange, wie es weiter heißt: "Die prächtige Soaring steht nun offenbar zum Verkauf, und zwar zu einem nicht genannten Preis. Es ist selten, dass eine so neue Superjacht im Besitz eines Millionärs bereits auf dem Markt ist."
Wieso ein solcher Mogul im Gegensatz zu Usmanow nicht auf der Sanktionsliste stehe, wunderte sich der örtliche CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan am Tegernsee. "Shabalov habe wohl ebenfalls Immobilien in Oberbayern erworben und in der Vergangenheit zumindest mit anderen Sanktionierten in Kontakt gestanden", schrieb Radwan Ende März an Außenministerin Annalena Baerbock. Eine Rückmeldung habe er nicht bekommen.
- Eigene Recherchen
- Gespräch mit Alexander Radwan
- imht.ru: Shabalov Ivan Pavlovich Biography (Englisch)
- autoevolution.com: "Russian Oil Industry Magnate’s New Opulent Floating Mansion Is Already on the Market"
- Reuters: "Russian Nord Stream-2 on track with pipes expected soon" (Englisch)