Illegale Transporte Die Tierschlepper aus Oberbayern
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Cem Özdemirs Vorstoß gegen illegale Tiertransporte vorgehen zu wollen, verhallt in der EU. Ein Problem auch in Bayern: Miesbach ist einer der Umschlagplätze.
Das Entsetzen war vor zwei Jahren groß, als tierquälerische Rinderexporte aus Bayern im ZDF mit erschreckenden Bildern aufgedeckt wurden. Dokumentiert wurde von Filmemacher Manfred Karremann immenses Tierleid bei Transporten nach Libyen. Ausgangspunkt war die Sammelstelle bei der Oberlandhalle in Miesbach. Dort wurden 30 Zuchtrinder auf einen Lastwagen mit Ziel Slowakei verladen, laut Frachtpapieren waren sie für einen Haltungsbetrieb in Divin bestimmt.
Doch dort kamen sie nie an, sondern im Hof eines Exporteurs. Der schickte den Transport weiter nach Tarragona in Spanien, ohne dass die Tiere versorgt wurden, beklagt Iris Baumgärtner, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Tierrechtsorganisation Animal Welfare Foundation (AWF), die anhand der Frachtpapiere die Route rekonstruierte. Doch die Tortur der bayerischen Rinder endete nicht in Spanien, sondern nach einer qualvollen Schiffspassage in Libyen.
Miesbach in Bayern ist Umschlagplatz für Viehtransporte
Schockierende Recherchen für einen Landwirt im Landkreis Miesbach. Er erfuhr, dass seine trächtige Kuh nicht durch den Verkauf bei einem anderen Milchbetrieb als Zuchttier landete, sondern auf illegalen Umwegen im Schlachthof von Tripolis. Und dies, obwohl Bayern den Export in etliche Länder außerhalb der EU untersagte. Beim Versuch, die Lage in Europa zu verbessern, kämpft Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) aber gegen Windmühlen, obwohl er im Inland sogar aus ganz anderen Lagern Unterstützung erhält.
"Ich vertrete eine klare Haltung: Tierschutzwidrige Transporte sind nicht hinnehmbar", klagte damals wie heute Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern, kraft seines Amtes zuständig für die Einhaltung der europäischen und bundesdeutschen Tierschutzvorgaben im Freistaat. "Tierschutz endet nicht an der Landesgrenze", erklärt Glauber auf Nachfrage von t-online.
"Die Rechtslage ist unbefriedigend", sagt er. "Wir brauchen bundeseinheitliche und EU-weite Regelungen, um die verbliebenen Schlupflöcher zu schließen. Auch die Tierhalter und Zuchtverbände sind gefordert: Sie sind verantwortlich für die Tiere." Doch wo es um Profite der Fleischindustrie geht, bleibt der Tierschutz auf der Strecke. So geschehen ein Jahr später, wieder Miesbach, im Januar 2021.
Gerichte verhindern Tierquälerei auf Transporten nicht
Obwohl Glauber Gerichte bemühte, um einen Transport von 31 trächtigen Kühen nach Ungarn und weiter nach Kasachstan zu untersagen, genehmigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in letzter Instanz die tierquälerischen Exporte über mehrere Tage. Begründung: "Für den Transport von Miesbach ist das Landratsamt zuständig."
Und der Weitertransport von Ungarn nach Kasachstan sei Sache der ungarischen Behörden. "Dessen Prüfungskompetenz dürfe sich nicht das Landratsamt Miesbach aneignen." Die Folge waren im vergangenen Jahr, so Baumgärtner vom AWF, weitere Transporte mit 4.000 Rindern nach Ungarn. Dort endet nach 48 Stunden EU-Recht. Über dieses neue juristische Schlupfloch ist Glauber offensichtlich ziemlich verärgert.
Angesichts der "unbefriedigenden Rechtslage", wie Glauber es nennt, habe der Bundesrat eine Initiative Bayerns, Nordrhein-Westfalens und Hessens mit deutlicher Mehrheit im Februar 2021 angenommen, um Tiertransporte in bestimmte Drittstaaten zu unterbinden. "Jetzt sind Bund und EU gefordert."
Deutschland will Gesetze für Tierschutz bessern und wird blockiert
Das Ansinnen trug Bundesminister Özdemir auf EU-Ebene vor – doch ohne Erfolg. Die Allianz zur Verbesserung der "Tierschutztransportverordnung" fand nicht die "qualifizierte Mehrheit von 15 Mitgliedsstaaten", bedauert Baumgärtner im Gespräch mit t-online. Wäre sie erreicht worden, "wäre die EU-Kommission verpflichtet gewesen, auf die Forderungen des Papiers einzugehen." So würden weiterhin rund drei Millionen Tiere jährlich aus der EU exportiert.
Bei Rindern kann Baumgärtner das anhand von Ohrmarken und Excel-Tabellen der Schiffsbeladungen recherchieren. Drei Bullen aus Oberbayern wurden beispielsweise am 5. November 2021 in Tarragona zur betäubungslosen Schlachtung nach Libyen verschifft. Dieser Export, so Tierschützerin Baumgärtner, wäre nach dem von Özdemir "im Agrarrat vorgestellten Positionspapier nicht mehr erlaubt, da Libyen unterhalb EU-Standards liegt".
Auf heimische Rinder warten also bei Exporten in Drittstaaten weiterhin Kälte, Hitze, Durst, Stress, keine Ruhe- und Liegepausen, Grausamkeiten im Schlachthof. Viele Mitgliedsländer der Europäischen Union haben offenbar kein Interesse, das zu ändern. Und die Kommission schaut zu.
- Angaben von Thorsten Glauber und Iris Baumgärtner
- Eigene Recherchen
- ZDF/3sat: 37-Grad-Ausgabe vom 25. Februar