Richter kritisiert Behörden Haft für zwei Männer wegen Kindesmissbrauchs

Ein über 80-jähriger Mann muss wegen schweren Missbrauchs hinter Gittern. Der Richter kritisiert ein Behördenversagen bei Ermittlungen gegen den Wohlhabenden.
In München ist am Landgericht ein Prozess um Kindesmissbrauch in der Region zu Ende gegangen. Das Gericht verhängte gegen einen über 80-jährigen Mann aus Pullach bei München eine Haftstrafe von vier Jahren und vier Monaten wegen sexuellen Missbrauchs. Sein Komplize erhielt fünfeinhalb Jahre Gefängnis.
Der Pullacher soll laut Anklage über zwölf Jahre im Internet nach Frauen gesucht haben, die zulassen, dass er sich an ihren Kindern vergeht. Dafür habe er mehrere tausend Euro geboten. Bei den Treffen nannte sich der Täter doppeldeutig "Onkel Dick".
Richter: Verurteilter sah Kinder als Sexobjekte
Der zweite Verurteilte hatte dem älteren Mann unter anderem eine Verwandte und die kleine Tochter einer Bekannten nach Hause gebracht. Er wurde wegen sexuellen Missbrauchs und schwerer Zwangsprostitution verurteilt. Zudem sah das Gericht es als erwiesen an, dass er den wohlhabenden Senioren mit Tonaufnahmen der Tatpläne erpresst hatte.
Das Gericht folgte nicht der Argumentation der Verteidigung, dass es sich bei den Gesprächen über Kindesmissbrauch lediglich um "Dirty Talk" ohne Realitätsbezug gehandelt habe. Richter Matthias Braumandl stellte in seiner Urteilsbegründung fest: "Es handelt sich um nüchterne Organisationsfragen." Der Pullacher sei jemand, "der Kinder lediglich als Sexualobjekte, aber letztlich nicht als Menschen oder Persönlichkeiten schätzt".
Richter kritisiert "Systemausfall der Strafverfolgung"
Der Prozess hatte im September vergangenen Jahres begonnen und erstreckte sich über 46 Verhandlungstage. Richter Braumandl äußerte Zweifel daran, ob wirklich alle Taten der beiden Männer aufgeklärt wurden. Er kritisierte ungewöhnlich deutlich die Ermittlungsarbeit bei einem früheren Verfahren gegen den Senioren im Jahr 2021. Damals war der Angeklagte zur Hauptverhandlung nicht erschienen, und das Amtsgericht hatte nur eine Geldstrafe von 350 Tagessätzen à 150 Euro verhängt.
Die Ermittlungen seien tatsächlich sowohl von der Polizei als auch von der Staatsanwaltschaft nicht mit dem Elan verfolgt worden, der nötig gewesen wäre, kritisierte Braumandl. Er sprach von einem "völligen Systemausfall der Strafverfolgung" und einer "lächerlich geringen" Geldstrafe – vor allem im Vergleich zum Vermögen des Mannes. Der Angeklagte habe durch das damalige Urteil keinerlei abschreckende Wirkung erfahren.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa