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München

München: Gewalt gegen Polizeibeamte – erschreckende neue Zahlen vorgestellt


Gewalt gegen die Polizei
"Man wartet nur, bis es wieder einschlägt und man getroffen wird"

  • Sven Sartison
Von Sven Sartison

05.07.2024Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
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Ein Polizeibeamter bei einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Teilnehmer einer Demo in München (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Ein Polizeibeamter bei einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Teilnehmer einer Demo in München (Archivbild): Nicht immer gehen solche Fälle für die Beamten glimpflich aus. (Quelle: Sachelle Babbar/imago-images-bilder)

Für die Sicherheit der Bürger riskieren Polizeibeamte jeden Tag ihre Gesundheit. Eine neue Statistik der Münchner Polizei belegt eine erschreckende Entwicklung.

Seit zehn Jahren ist Matthias R. bei der Polizei. Seitdem war der Polizeihauptmeister des Unterstützungskommandos (USK) München bei Hunderten, wenn nicht gar Tausenden Einsätzen vor Ort. Manche stellten sich als harmloser heraus als zunächst gedacht, bei anderen wiederum war es genau umgekehrt. So wie am 22. Februar des vergangenen Jahres.

Eigentlich wollten der 29-Jährige und seine Kollegen am späten Abend nur ein paar Flaschen Wasser an einer Tankstelle in der Chiemgaustraße kaufen, als ihnen der Tankstellenmitarbeiter erzählte, dass eben gerade auf ihn geschossen wurde. Noch während die Polizisten zwei Einschusslöcher in der Fensterscheibe feststellten, zischte auf einmal ein weiteres Geschoss an ihren Köpfen vorbei und schlug hinter ihnen in das Gebäude ein.

"Reichsbürger" beschießt Polizisten in Tankstelle

"Das Geräusch vergisst man nicht. Das bleibt tatsächlich sehr lebhaft in Erinnerung", sagte Matthias R. am Freitag bei einer Pressekonferenz des Polizeipräsidiums München zum Thema "Gewalt gegen Polizeibeamte 2023". Auch wenn ihm das Gefühl, beschossen zu werden, durch Übungen bekannt sei. "Aber das war ein Echteinsatz. Das ist etwas völlig anderes."

Besonders im Kopf seien ihm die Sekunden nach dem Schuss geblieben. "Man wartet nur, bis es wieder einschlägt. Man wartet, bis man getroffen wird oder irgendetwas passiert." Doch es passierte nichts. Der Täter, ein damals 52-Jähriger, welcher der Reichsbürgerszene zuzuordnen war, gab keinen weiteren Schuss ab. Wie sich später herausstellte, hatte der Mann mit einer sogenannten Zwille, einer Schleuder, mit Stahlkugeln auf die Tankstelle geschossen. Bei seiner Festnahme in unmittelbarer Tatortnähe wurde zudem ein Messer bei ihm sichergestellt.

"Das hätte für uns sehr schlimm ausgehen können", unterstrich Matthias R. auf der Pressekonferenz. Der Fall habe ihn sehr lange beschäftigt. Heute gehe es ihm gut. "Aber das bleibt doch. Es ist ein Erlebnis, das einzigartig ist." Eingeprägt habe sich auch der Moment, als das Adrenalin nachgelassen habe und er und seine Kollegen sich auf Schussverletzungen abtasteten. "Wir haben tatsächlich einen Moment gebraucht, um zu realisieren, dass wir nicht getroffen wurden."

Fast jeder zehnte Münchner Polizist verletzt

Extreme Fälle wie dieser, bei denen auf Polizeibeamte geschossen wird, zählen in München zwar zu den Ausnahmen. Gewalt gegen Polizisten ist dennoch auch in der bayerischen Landeshauptstadt an der Tagesordnung. "Wir hatten im vergangenen Jahr 568 verletzte Kollegen zu beklagen", erklärte Münchens Polizeipräsident Thomas Hampel am Freitag. "Statistisch gerechnet wird also in einem Jahr jeder zehnte Münchner Polizist mindestens einmal verletzt."

Insgesamt seien im vergangenen Jahr 1.449 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte in München erfasst worden. Dies seien zwar 61 weniger als 2022, "aber immer noch auf sehr hohem Niveau". Im Zehnjahresvergleich sei eine Zunahme von 20 Prozent der Angriffe gegen Polizeibeamte zu verzeichnen. "Eine Tatsache, die in keinster Weise hinnehmbar ist", betonte Hampel.

Fast 1.000 der 2023 erfassten Fälle seien "konkrete Gewaltdelikte" wie Widerstandshandlungen bis hin zu versuchtem Mord und Totschlag gewesen. "Zieht man diese speziellen Delikte heraus, haben wir im Zehnjahresvergleich sogar einen Anstieg von 38,3 Prozent", sagte Hampel. Dabei seien in zwölf Fällen Hieb- und Stoßwaffen mitgeführt beziehungsweise eingesetzt worden. Dreimal kam es zu Messerangriffen, zweimal wurden Beamte mit einer Schusswaffe angegriffen oder bedroht. Hinzu kommen rund 500 Fälle von Beleidigungen und Bedrohungen.

"Ein Angriff auf unsere Demokratie"

Besonders auffällig sei, dass mehr als jeder zweite (51 Prozent) der insgesamt 1.264 Tatverdächtigen alkoholisiert war. Über 83 Prozent der Verdächtigen waren männlich, 84,1 Prozent bereits polizeibekannt. Dabei sei jeder Angriff auf Polizeibeamte laut Hampel auch "ein Angriff auf unsere Demokratie, für die wir tagtäglich einstehen".

Er stellte daher unmissverständlich klar: "Wer die Polizei angreift, muss mit erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen." So wie der Mann, der im Februar 2023 auf Polizeihauptmeister Matthias R. und dessen Kollegen schoss. Er wurde inzwischen wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München vom 5.07.2024
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