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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Landgericht München Baby in Toilette ertränkt – Mutter gesteht Tötung
Weil sie ihr Baby nach der Geburt in der Toilette ertränkt haben soll, muss sich eine 20-Jährige vor dem Landgericht verantworten. Am ersten Prozesstag gesteht sie die Tat.
Völlig regungslos sitzt die junge Frau auf der Anklagebank, während der Staatsanwalt von der Geburt ihres Sohnes vor fast genau einem Jahr berichtet. Lediglich die Augen lassen erahnen, wie es im Innern der 20-Jährigen aussieht: Im Sekundentakt klappen ihre Lider auf und nieder – offenbar bemüht, die Tränen zurückzuhalten. Denn ihr kleiner Sohn, den sie nach ihrem Großvater benannt hat, lebt nicht mehr. Vielmehr ist der Säugling unmittelbar nach der Geburt getötet worden – von seiner eigenen Mutter.
Die Frau hatte nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ihre ungewollte Schwangerschaft geheimgehalten, ehe sie das Baby alleine im Bad zur Welt brachte, und zwar in die dortige Toilette. Anschließend betätigte sie die Spülung so oft, bis der Säugling aufgrund von Sauerstoffmangel verstarb. Für diese Tat muss sich die junge Frau, die in einem Vorort von München lebt, vor dem Landgericht München I verantworten – wegen Mordes.
Mit tief herunter gezogener Kapuze betritt sie den Saal
Um ihr Gesicht vor den Fotografen zu verbergen, betritt die 20-Jährige an diesem Vormittag mit tief heruntergezogener Kapuze den Saal; zudem hält sie sich eine beige Mappe vor den Kopf. Hinter ihr sitzt ihre Anwältin Birgit Schwerdt, die kurz darauf eine Erklärung für ihre Mandantin verliest – mithin ein Geständnis. "Meine Tat werde ich mir ein Leben lang nicht verzeihen können", heißt es darin. In der fast einjährigen Untersuchungshaft habe sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt.
"Heute ist mir bewusst, dass ich mit meiner Familie hätte reden sollen. Wir hätten gemeinsam einen Ausweg gefunden." Jene Familie spielte eine bedeutsame Rolle im Leben der 20-Jährigen, die als eines von acht Geschwistern in einem Mehrgenerationenhaus aufwuchs – mit Eltern, Großeltern und der Familie ihrer Tante. Dort habe eine "konservative Grundeinstellung" geherrscht. "Die Erziehung war herzlich, aber streng, geprägt von christlich-katholischen Glaubenssätzen", verliest die Anwältin.
Und weiter: "Ein nichteheliches Kind wäre absolut unerwünscht gewesen." Auch aus diesem Grund verheimlichte die 20-Jährige, nachdem sie ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem Freund gehabt hatte, ihre Schwangerschaft vor ihrem Umfeld. Die Situation habe sie "völlig überfordert". Ein uneheliches Kind "hätte den Anschein der perfekten Familie zerstört".
Geburt in einer leeren Wohnung "wie in Trance erlebt"
Die Geburt selbst, für die sie sich in eine leerstehende Souterrainwohnung ihres Elternhauses zurückzog, habe sie "wie in Trance erlebt", schildert es die Angeklagte in ihrer Erklärung. An vieles könne sie sich nicht erinnern. "Wie oft ich die Spülung gedrückt habe, weiß ich nicht mehr." Ihre "unverzeihliche Tat" sei Folge der Überforderung mit der Situation der Geburt gewesen – "aber nicht von langer Hand geplant und stand nicht in Zusammenhang mit eigennützigen Motiven wie meiner Ausbildung als Köchin".
Genau an diesem Punkt weicht die Erklärung der 20-Jährigen von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft ab. Diese geht nämlich davon aus, dass die junge Frau ihr Baby tötete, "weil sie ihre selbstbestimmte Lebensführung nicht durch die Verantwortung mit einem Kind belasten wollte und ihre Freiheiten dem Lebensrecht ihres Kindes überordnete".
Demnach schrieb die Angeklagte schon während ihrer Schwangerschaft in einer Textnachricht an den zwischenzeitlich weggezogenen Kindsvater, dass sie hoffe, das Ungeborene "totgesoffen" zu haben. Es klinge hart, aber sie wolle "eine Küchenkarriere und keine Kinder". Laut Staatsanwaltschaft lehnte die 20-Jährige, die kurz vor ihrer Abschlussprüfung als Köchin stand, die Mutterrolle ab, "insbesondere weil sie nicht bereit war, etwas an ihrer bisherigen Lebensführung oder den unmittelbaren Zukunftsplänen zu ändern".
Staatsanwaltschaft wirft "niedere Beweggründe" vor
Vor diesem Hintergrund wirft die Staatsanwaltschaft der jungen Frau vor, ihr Kind "aus niederen Beweggründen" getötet zu haben – weshalb ihr Vorwurf auf Mord lautet. In diesem Fall würde eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht, wie es die Anklage vorsieht, eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren nach sich ziehen. Die Verteidigung dürfte hingegen versuchen, den Mordvorwurf zurückzuweisen und die Tat als Totschlag darzustellen – da hier die Höchststrafe für Jugendliche und Heranwachsende bei zehn Jahren Haft liegt.
Nun wird also das Gericht klären müssen, ob das Mordmerkmal der niederen Beweggründe bei der Tat vorlag. Für den Prozess sind sieben weitere Verhandlungstermine anberaumt; ein Urteil könnte demnach Mitte Mai fallen.
- Reporter im Gericht vor Ort