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Zum journalistischen Leitbild von t-online.60 Jahre MSC Münchner Momente auf der Sicherheitskonferenz
Auf der Sicherheitskonferenz wird über aktuelle Weltlagen diskutiert. Manchmal schreibt sie aber auch selbst Geschichte. Das Amerikahaus blickt zurück auf 60 Jahre MSC.
An der wichtigsten Stelle seiner Rede wechselt Joschka Fischer unvermittelt ins Englische. "Excuse me", setzt der damalige deutsche Außenminister an – die Augen geweitet, die Stimme fast brüchig, das Auftreten nahezu theatralisch. Adressat seiner Botschaft, hier bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2003, ist Donald Rumsfeld, der Verteidigungsminister der USA, die seinerzeit den Krieg gegen den Irak suchen.
Viele Verbündete jedoch sehen die Marschroute der Amerikaner kritisch, und diese Skepsis bringt Joschka Fischer nun also im Saal des "Bayerischen Hofs" auf den Punkt. "Excuse me", entschuldigt er sich erst, bevor er verbal austeilt: "I am not convinced." Übersetzt: "Ich bin nicht überzeugt."
Der "Munich Moment" auf der Münchner Sicherheitskonferenz
Dieser Satz gilt als "Munich Moment" – also einer jener Augenblicke in der Historie der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), in denen die Veranstaltung ein Stück Geschichte mitgeschrieben hat. Oftmals war dies der Fall, wenn eine Rednerin oder ein Redner den Elefanten im Raum benannte. Diese Metapher – erstmals vom russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski benutzt – meint ein bedeutendes Problem, das jeder sieht, aber niemand anspricht. Wie etwa 2003 die Zerwürfnisse zwischen den Kriegsskeptikern in Europa und den USA.
In Anlehnung an jene Metapher steht im Foyer des Amerikahauses in München ein lebensgroßer weißer Elefant. Die Figur soll das Ziel der Münchner Sicherheitskonferenz symbolisieren, "den Elefanten im Raum stets in den Mittelpunkt ihrer Diskussion zu stellen", wie es auf der Erklärtafel heißt. Dort sind auch einige Beispiele vermerkt wie der Klimawandel, die Gefahr globaler Pandemien und die Begründung des Irak-Kriegs, die Joschka Fischer 2003 mit seinem berühmten Ausspruch auf den Punkt brachte.
Ausstellung beginnt mit dem weißen Elefanten
Mit dem weißen Elefanten beginnt eine nicht nur für Politikfans sehenswerte Ausstellung über die Münchner Sicherheitskonferenz. Anlass ist an diesem Wochenende die 60. Auflage jenes Treffens, zu dem wieder zig Staatsoberhäupter sowie Hunderte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien und Forschung nach München reisen werden. Auch das Amerikahaus ist in diesem Jahr wieder ein Veranstaltungsort der Sicherheitskonferenz für Diskurs und Vorträge.
In den oberen zwei Stockwerken des Amerikahauses blickt die Ausstellung entlang eines Zeitstrahls zurück auf die Historie der MSC im Allgemeinen – und im Besonderen auf jene "Munich Moments", die Geschichte geschrieben haben. Einer dieser Momente ist neben Joschka Fischers Äußerung 2003 etwa Wladimir Putins Rede vier Jahre später, als sich der russische Präsident gegen eine unipolare Weltordnung und die Dominanz der USA aussprach und somit erstmals klar auf Konfrontationskurs mit dem Westen ging. Und dann ist da natürlich der denkwürdige Auftritt Benjamin Netanjahus bei der MSC 2018.
Damals schwenkte Israels Premierminister auf der Bühne ein Trümmerteil einer abgeschossenen Drohne durch die Luft und adressierte den iranischen Außenminister mit den Worten: "Herr Sarif, erkennen Sie das? Es gehört Ihnen. Sie können es mit einer Botschaft an die Tyrannen mit nach Teheran zurücknehmen: Prüfen Sie nicht unsere Entschlossenheit."
Untrennbar mit Ewald-Heinrich von Kleist verbunden
Bevor die Besucher der Ausstellung in den Zeitstrahl mit seinen vielen Fotos, Texttafeln und Zeitungsausschnitten eintauchen, geht es im Erdgeschoss zunächst um die Entstehungsgeschichte der MSC, die untrennbar mit dem Namen Ewald-Heinrich von Kleist verbunden ist. Dieser einstige Widerstandskämpfer gegen Hitler aus dem Stauffenberg-Kreis initiierte 1963 die erste "Internationale Wehrkunde-Begegnung" in München, wie die Veranstaltung damals noch hieß.
Ziel war es, den Austausch unter Verteidigungsexperten und Sicherheitspolitikerinnen zu fördern. Die Gäste stammten anfangs jedoch fast nur aus Deutschland, den USA und anderen Nato-Staaten, weshalb von einem "transatlantischen Familientreffen" die Rede war. "Da saßen 80 Männer zusammen, zum Teil rauchend", sagte Christoph Heusgen bei der Eröffnung der Ausstellung. "Das war eine ganz andere Atmosphäre, als wir sie heute haben."
Heusgen leitet die MSC seit 2022, nachdem zuvor Horst Teltschik und Wolfgang Ischinger auf den Gründer Ewald-Heinrich von Kleist gefolgt waren. Seit ihrer Anfangszeit ist die Konferenz stetig gewachsen, hat sich geöffnet und ihren Fokus erweitert. Heute erhebt sie den Anspruch, die "weltweit bedeutendste Bühne für internationale Sicherheitspolitik" zu sein. Wie es dazu gekommen ist, lässt sich noch bis Montag im Amerikahaus nachvollziehen. Der Eintritt zu der Ausstellung ist frei.
Sicherheitskonferenz: Diese Demonstrationen sind geplant
Die Sicherheitskonferenz wird von zahlreichen Demonstrationen begleitet. Insgesamt sind 20 Versammlungen angemeldet. Der Schwerpunkt der Proteste liegt auf dem Samstag, an dem laut dem städtischen Kreisverwaltungsreferat mehr als 7.000 Menschen bei Kundgebungen erwartet werden. Unter anderem betreffen die Demonstrationen den Nahost-Konflikt, den Krieg in der Ukraine sowie die Situation im Iran. Ein Aktionsbündnis gegen die Sicherheitskonferenz trifft sich am Samstag um 13 Uhr am Stachus, von wo aus die Demonstrierenden zum Odeonsplatz ziehen wollen. Im Anschluss soll es eine Menschenkette rund ums Veranstaltungsgelände geben, um die Konferenz symbolisch zu "umzingeln". Die Abschlusskundgebung ist ab 15.30 Uhr am Marienplatz geplant.
- Besuch der Ausstellung im Amerikahaus
- sicherheitskonferenz.de: Mitteilung zu Protesten wärhend der Siko
- muenchen-steht-auf.de