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München

Galeria Kaufhof München schließt: Schock – Mitarbeiter sollen schweigen


Tausende Arbeitsplätze in Gefahr
Nach dem Knall: Geisterhafte Atmosphäre im Kaufhof

Von Jennifer Lichnau, Jonas Voss

14.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Regensburger zur Kaufhaus-Schließung: "Es hat mich mein Leben lang begleitet". (Quelle: Glomex)

Nach dem lauten Knall um die Kaufhof-Schließungen ist es still in einer Münchner Filiale. Führungskräfte drängen Mitarbeiter wohl zum Schweigen.

Für viele ist es ein normaler Dienstag in der Innenstadt Münchens. Tritt man durch die Glastüren des Galeria Kaufhofs, der zwischen Hauptbahnhof und Stachus liegt, ist es jedoch, als bliebe die Zeit stehen. Es ist ruhig zwischen den Parfüm- und Schmuckregalen im Erdgeschoss. Ein paar Kunden laufen schweigend die Gänge entlang. Es sind beinahe alles Rentner. In einer etwas abgelegenen Ecke stehen drei Frauen eng zusammen und reden mit unterdrückten Stimmen. Es sind Mitarbeiterinnen der Kaufhof-Filiale in München, die es Ende Juni nicht mehr geben wird.

Seit Montagnachmittag ist klar, dass über 200 Mitarbeiter in wenigen Monaten keinen Job mehr haben werden. Die Gewerkschaft Verdi schreibt auf Anfrage von t-online: "Die Beschäftigten haben in den letzten Jahren massiv auf ihr Gehalt verzichtet. Und jetzt verlieren sie ihre Existenz." Das verurteile die Gewerkschaft. Sie kündigt an, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen.

Einen Tag nach Bekanntgabe der Schließung: Mitarbeiter sollen nicht mit den Medien sprechen

Sobald sich Menschen nähern, verstummen die drei Kaufhofmitarbeiterinnen. Sie alle sind um die 60 Jahre alt, tragen Blazer oder Strickjacken. Eine ein Seidentuch um den Hals. Sie sehen abgekämpft aus. Die Schultern hängen, ihre Gesichter wirken fahl, sie reagieren kaum, wenn Kunden an sie herantreten.

Eine Frau, mit kurzem, rötlich getönten Haar, blickt kurz auf. Wie es ihr denn gehe? Sie antwortet nicht. Dann schüttelt sie den Kopf. "Wir dürfen mit niemandem reden", sagt sie. Für einen kurzen Augenblick verzieht sie kaum merklich das Gesicht und Wut verhärtet ihre Gesichtszüge.

Warum sie nicht reden dürfe, beantwortet sie mit einem Fingerzeig Richtung Decke und sagt: "Fragen Sie den Chef." Es dauert keine Minute, bis zu dieser Szene eine junge Frau hinzutritt. Um den Hals trägt sie ein grünes Band, mit der Aufschrift Galeria Kaufhof. Sie will das Gespräch unterbinden. Menschen mit Fragen seien nicht erwünscht.

Gewerkschaft Verdi beschuldigt das Management

Galeria hatte Ende Oktober 2022 zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren suchen müssen. Als Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens nannte Konzernchef Miguel Müllenbach damals die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland.

Es ist bereits der zweite Versuch, den Handelsriesen durch ein Schutzschirmverfahren und den damit verbundenen Schuldenschnitt wieder dauerhaft auf Erfolgskurs zu bringen. Ein erster Anlauf, der 2020 während des ersten Corona-Lockdowns gestartet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.

Verdi: "Verantwortungsloser Milliardär" hat Investitionen verweigert

Einen Tag nach der Hiobsbotschaft zeigt sich in der Münchner Filiale zwischen Schreibwarenartikeln, Schuhregalen und reduzierter Damenwäsche auf beinahe jeder Etage das gleiche Bild: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zusammenstehen und flüstern. Sie beraten sich. Fragen sich, wie es für sie und ihre Kollegen weitergeht. Die Stimmung ist gedrückt. Insgesamt ist es ruhig in dem großen Kaufhaus. Auch die Kunden schleichen beinahe lautlos durch die Regale.

Verdi gibt dem schlechten Management die Schuld, dass nun in ganz Deutschland rund 5.000 Galeria-Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren. "Das nur, weil ein verantwortungsloser Milliardär sich seiner Verpflichtung zu investieren verweigert hat", erklärt Hubert Thiermeyer Verdi-Fachbereichsleiter für den Handel in einer ersten Reaktion. Im Moment erfahre die Gewerkschaft beim Widerstand gegen die große Kaufhaus-Kette, die zur Unternehmensgruppe Signa gehört, jedoch viel Unterstützung von Initiativen, Galeria-Kunden und aus der Kommunalpolitik.

Wirtschaftsreferent: Für Mitarbeiter ist die Situation "tragisch"

Auch Münchens Bürgermeister sagt auf t-online Anfrage den scheidenden Mitarbeitern Unterstützung bei der Suche nach neuen Arbeitsplätzen zu. Ihn habe die Nachricht vom Ende des Traditionskaufhauses unerwartet getroffen.

Für Clemens Baumgärtner kam das Aus der Filiale dagegen laut eigener Aussage "nicht ganz unerwartet". Der Wirtschaftsreferent der Stadt sagt im Gespräch mit t-online, "glücklich bin ich mit dieser Entwicklung natürlich trotzdem nicht". Für die Angestellten sei die derzeitige Situation tragisch, das Kaufhaus sei jahrzehntelang nicht nur eine Münchner Institution, sondern für viele Menschen auch ein guter Arbeitsplatz gewesen. Der plötzliche Verlust von diesem sei ein Schock, das habe man so etwa auch beim Niedergang von Siemens während der 1990er-Jahre in München gespürt.

Aber so wie damals, erklärt Baumgärtner, liege auch heute eine Chance in solch einer Entwicklung. "Wenn wir ehrlich sind, ist das Prinzip Kaufhaus nur noch bedingt marktfähig." Wichtig sei, dass man als Stadt diejenigen unterstütze, die bald ihren Arbeitsplatz verlieren.

Während Filialen rund um den Marienplatz sehr wohl noch ein gutes Geschäft machen würden, sei das Haus am Hauptbahnhof schlicht zu groß gewesen. "Wir müssen jetzt, zusammen mit der Immobilienwirtschaft, an einer weiterhin attraktiven und modernen Innenstadt arbeiten." Dabei dürfe es keine Denkverbote geben. Der Wirtschaftsreferent sagt, er könne sich in dem Karree auch eine Mischnutzung vorstellen. Büroplätze in dieser Premiumlage seien begehrt, wogegen Wohnungen dort wohl nur für absolute Spitzenverdiener interessant seien.

In ganz Deutschland schließen insgesamt 52 von 129 übrig gebliebenen Filialen. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats werden im Zuge des Insolvenzverfahrens "weit über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren". Es würden nicht nur Stellen in den Schließungsfilialen wegfallen. Geplant seien auch Flächenreduzierungen und ein Personalabbau in den verbleibenden Häusern und in den Zentralfunktionen.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
  • Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Anfrage an den Oberbürgermeister Münchens
  • Anfrage an die Gewerkschaft Verdi Bayern
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