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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bundeskanzler bei Parteitag in München Olaf Scholz: "Russland ist kein verlässlicher Partner"
Krieg, Krise, SPD: Bundeskanzler Olaf Scholz spricht auf dem Parteitag der bayerischen SPD in München – aber nicht über alles.
Es sind ungewöhnliche Szenen, die man auf dem SPD-Parteitag in Bayern beobachten kann: Ein Olaf Scholz, der eine leidenschaftliche Rede hält, der lächelt, der sich sichtlich wohlfühlt. Und warum auch nicht? Die bayerischen Genossinnen und Genossen feiern ihren Kanzler wie einen Star. Seine Rede wird immer wieder von Applaus unterbrochen. An zwei Stellen steht der ganze Saal und jubelt dem Bundeskanzler zu.
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Eine solche Stelle ist, als Scholz ruft, es solle Respekt nicht nur für die besonders Gebildeten oder Wohlhabenden in unserem Land geben, sondern für alle, die arbeiten oder etwas leisten. Sei es jemand, der im Restaurant arbeitet, an der Supermarktkasse oder jemand, der die Straße sauber macht. Die Anwesenden bekunden ihre Zustimmung mit Jubelrufen.
An die Cum-Ex-Affäre denkt heute wohl keiner. Im Rahmen dieser Affäre hat sich die Warburg-Bank durch illegale Steuergeschäfte rund 50 Millionen Euro ergaunert. 50 Millionen Euro Steuergeld, die sich die Finanzbehörden der Stadt Hamburg, deren Erster Bürgermeister Scholz damals war, nie zurückgeholt hat. Scholz soll sich mehrfach mit Christian Olearius, dem Chef der Warburg-Bank, getroffen haben. Daran erinnern mag er sich nicht.
Scholz: "Werden die Ukraine weiter unterstützen, auch mit Waffen"
Darum geht es heute nicht. Scholz feiert seine Partei für die Durchsetzung des Mindestlohns von 12 Euro und dafür, dass die SPD die Partei sei, die weder den Klimawandel noch die sozialen Fragen Deutschlands von der Tagesordnung streiche.
Doch bevor sich Scholz den innenpolitischen Themen widmet, spricht er über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seine Rede beginnt mit dem Satz: "Während wir hier versammelt sind, führt Russland einen brutalen Krieg gegen die Ukraine. Und wir werden die Ukraine weiter unterstützen – finanziell, humanitär und ja, auch mit Waffen".
Bisher jedoch liefert Deutschland keine Kampf- oder Schützenpanzer direkt an die Ukraine. Unterdessen lassen die Erfolge des Landes beim Zurückschlagen der russischen Invasionstruppen in Deutschland die Rufe nach mehr Waffen für das angegriffene Land wieder lauter werden. In der Koalition dringen vor allem Grüne und FDP auf die Lieferung schwerer Waffen.
"Russland ist kein verlässlicher Partner"
An der Einfahrt zu dem Gelände, auf dem der Parteitag stattfindet, stand ein Pulk von Menschen. Sie hielten Ukraineflaggen und Pappschilder hoch. Auf einem war "Mehr Waffen für die Ukraine" zu lesen. Diese Versammlung kann Scholz bei seinem Eintreffen kaum übersehen haben.
Die Überleitung vom russischen Krieg gegen die Ukraine zu den Problemen, die die deutsche Politik gerade plagen, fällt leicht. Denn der Ursprung vieler dieser Probleme liegt in dem Krieg. "Russland liefert kein Gas mehr nach Deutschland", das müsse klar sein, sagt Scholz. Die Begründungen dafür seien fadenscheinig. Fakt sei, dass Russland sich nicht an die vertraglichen Vereinbarungen halte. "Russland ist kein verlässlicher Partner", so der Kanzler.
Zur selben Zeit diskutiert die Ampelkoalition über eine chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen. Viele Politiker und Experten warnen davor, zum Beispiel Grünen-Parteichef Omid Nouripour. Es gehe überhaupt nicht, einem Land wie China die Kontrolle über kritische Infrastruktur in Deutschland zu überlassen, sagte er im Deutschlandfunk. Auch die FDP warnt vor einer Beteiligung der Chinesen.
Bayern-SPD feiert "ihren" Kanzler
Scholz hingegen konnte sich bisher zu keiner klaren Aussage durchringen. Der Bundeskanzler, der früher Erster Bürgermeister Hamburgs war, sagt, es seien noch viele Fragen zu klären. Aus einer Abhängigkeit in die nächste also? Die Grünen-Chefin Ricarda Lang schrieb dazu auf Twitter: "Wir sollten aus Fehlern gerade mit Blick auf China lernen und keine neuen Abhängigkeiten schaffen."
Für Scholz und die bayerischen Genossinnen und Genossen steht am Samstag in München fest: Die SPD ist die Partei, die Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger durch die zahlreichen Krisen lotsen kann, ohne dass jemand auf der Strecke bleibt.
Als der Bundeskanzler schon längst die Bühne verlassen hat, klatscht der Saal noch immer, als fordere er eine Zugabe. Kurzerhand hüpft Scholz noch einmal auf die Bühne, lächelt und winkt dem im Stehen klatschenden Publikum.
- Reporterin vor Ort