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Wetter in Bayern: Gefährliche Rekordhitze in München – niemand ist vorbereitet


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München hat keinen Hitzeschutzplan
Hitze ist tödlich – darauf vorbereitet ist niemand

Von Jennifer Lichnau

Aktualisiert am 20.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Touristen schützen sich gegen die brütende Hitze: Insbesondere ältere Menschen sind von der extremen Hitze gefährdet.Vergrößern des Bildes
Touristen schützen sich gegen die brütende Hitze: Insbesondere ältere Menschen sind durch die extreme Hitze gefährdet. (Quelle: Pemax/imago-images-bilder)

Bayern ächzt unter der Hitze und niemand weiß, was zu tun ist. Einen Hitzeschutzplan? Gibt es nicht, zumindest nicht in München. Das ist lebensgefährlich.

Es ist extrem heiß in Deutschland. Und es wird künftig noch heißer, da ist sich der Mediziner Martin Herrmann sicher. Er ist Vorsitzender von KLUG, der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit. In den letzten zwei Jahren sei Hitze zum Schwerpunktthema des Vereins geworden, sagt er. Deutschland sei nicht vorbereitet. Weder die Politik noch das Gesundheitssystem. Die Folge: Menschen sterben.

In einem Hitzesommer, sagt Herrmann, sterben zwischen 5.000 und 10.000 Menschen zusätzlich. Menschen, die mithilfe eines besseren Schutzes vermutlich noch viele Jahre gelebt hätten. Herrmann und seine Kollegen haben bereits 2019 den sogenannten "Lancet Policy Brief" veröffentlicht, der Politik und Gesundheitswesen aufzeigt, wie sie die Bevölkerung besser schützen könnten. Das Thema sei zwar stärker in den Fokus gerückt, es gibt mehr Kommunen die an Plänen arbeiten, aber das sind eben nach wie vor Ausnahmen.

Alt oder Jung: Hitze gefährdet uns alle

Und jetzt sind wir mittendrin in einer Hitzewelle: In Deutschland herrscht vielerorts Waldbrandgefahr, die Wetterapps warnen die Nutzer. Und die Stadt München? Die rät in einer Pressemitteilung dazu, viel zu trinken und die pralle Sonne zu meiden. Wie so viele andere Städte und Kommunen in Deutschland hat sie keinen Hitzeschutzplan.

"In einer akuten Situation, wie wir sie jetzt haben, helfen Infobroschüren nur begrenzt." In München, so Herrmann, habe beispielsweise keines der größeren Krankenhäuser einen Hitzeschutzplan. Auch Notarztsysteme haben keine Hitzeschutzpläne, genauso wenig Obdachlosenhilfen. Zu Unrecht, sagt Herrmann. "Hitze gefährdet uns alle."

Keine Hitzeschutzpläne in Münchner Kliniken

Auf Anfrage von t-online bestätigt das Klinikum der LMU, dass es keine speziellen Vorbereitungen für die Hitzetage getroffen habe. "Während ausgeprägter Hitzewellen kommt es zu einem gehäuften Aufkommen von Patienten in den Notaufnahmen. Es handelt sich meist um Patienten mit höherem Lebensalter und Vorerkrankungen." Darauf, so heißt es, sei man eingestellt. Einen Hitzeschutzplan gebe es allerdings nicht.

Alleinstehende, alte oder kranke Menschen sind besonders gefährdet, bestätigt Herrmann. Generell haben ältere Menschen ein geringeres Durstgefühl, trinken zu wenig und unterschätzen die Hitze. Legen sie sich dann hin, sackt der Kreislauf zusammen, sie werden bewusstlos oder haben einen Schlaganfall. Aber auch ein Handwerker, der in der prallen Sonne arbeitet, oder ein Obdachloser ohne Rückzugsort sind extrem gefährdet.

Hitzerekorde in Bayern: Obdachlose suchen Schutz an der Isar

Die Münchner Obdachlosenhilfe "Otto und Rosi" bietet ihren Besuchern täglich einen kühlen Rückzugsort und die Möglichkeit, kalt zu duschen. Im Aufenthaltsraum stehen Ventilatoren, die gerne genutzt werden, sagt die Leiterin Karin Kickner. Mittags suchen viele der Obdachlosen einen schattigen Platz an der Isar. Dort können sie sich abkühlen. Einen Hitzeschutzplan gibt es nicht.

Alexander Tauscher ist Vorsitzender des Bayerischen Handwerktages. Auf die Frage, wie Betriebe ihre Mitarbeiter schützen, antwortet er, politische Vorgaben gebe es nicht: Kein Recht auf Hitzefrei und auch keine Vorgaben, ab welchen Temperaturen nicht mehr gearbeitet werden darf, wie sie es für Innenräume gibt. Er geht davon aus, dass gerade Familienbetriebe ihre Arbeiter durch veränderte Arbeitszeiten und Pausen schützen.

Auf Hitzerekorde nicht vorbereitet

"Ein Hitzschlag führt in der Hälfte aller Fälle zum Tod", sagt Herrmann. "Hitze, so wie sie in den letzten Jahren auftritt, ist ein Risiko, mit dem wir nicht vertraut sind", sagt Herrmann, "und vor allem wissen wir nicht, was zu tun ist." Viele Rettungssanitäter erkennen Hitzesymptome nicht sofort. Auch das müsse sich ändern, sagt Herrmann.

Alexander Schmid führt ein Bestattungsunternehmen in München und bestätigt, auf dem Totenschein gebe es den Hitzetod nicht. "Klar", sagt Herrmann, "bei einem Raucher steht ja auch nicht die Todesursache Rauchen auf dem Schein." Trotzdem merkt Schmid die Auswirkungen der extremen Temperaturen im Arbeitsalltag. Dann sei in seinem Bestattungsunternehmen mehr los.

Die Politik muss das Thema Hitze endlich ernst nehmen

Hitzeschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, sagt Hermann, und müsse ernst genommen werden. Dass das noch nicht der Fall ist, merke man an den Bildern, die in Verbindung mit Hitze auftauchen: Eis, Biergarten oder Schwimmbad. Viele Gefahren können wir reflexartig einschätzen, Hitze nicht, so Hermann.

Aber was passiert denn, wenn wir mal mehrere Tage über 40 Grad haben, fragt Herrmann. Für diese Fälle müssen Krankenhäuser, Kommunen, Notarztdienste und Obdachlosenhilfen vorbereitet sein. Ein erster wichtiger Schritt sind die sogenannten Hitzeschutzpläne.

"Die Politik muss das Thema ernst nehmen und nicht weiter bagatellisieren", sagt Herrmann. Klimawandel, dachten viele, findet in anderen Regionen der Welt statt. Dass das nicht stimmt, spürt Deutschland in diesem Sommer.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Martin Herrmann von KLUG e.V.
  • Gespräch mit Bestattungsunternehmer Alexander Schmid
  • Gespräch mit Alexander Tauscher, Vorsitzender des Bayerischen Handwerktages
  • Anfrage an das Klinikum der LMU
  • Gespräch mit Karin Kickner von der Arbeiterwohlfahrt München
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