München: Lili Paul-Roncallis Leben zwischen Zirkus-Manege und Modelkarriere

Circus Roncalli gastiert in München

Lili Paul-Roncalli: "Zuhause ist kein Ort, sondern ein Gefühl"

Lili Paul-Roncalli ist nicht nur die jüngste Tochter des weltberühmten Zirkusdirektors, sondern auch Model und Tänzerin. So sieht ihr Leben außerhalb der Manege aus.

Nach rund einer Stunde Vorführung ertönt plötzlich das Ticken einer Uhr im Zirkuszelt Roncalli im Werksviertel. Doch es stammt nicht von einer echten Uhr. Es scheint von einem Tisch in der Mitte der Manege zu kommen, der aussieht wie die Uhr aus dem Gemälde "Die zerrinnende Zeit" des Künstlers Salvador Dalí. Gemeinsam mit einem Tänzer kommt Lili Paul-Roncalli (27) auf die Bühne. Beide sind in Schwarz-Weiß gekleidet, auf ihren Kostümen sind ebenfalls Zahlen abgebildet. Dann lässt die 27-Jährige ihren Umhang fallen. Darunter trägt sie einen Body aus einem rot-orange-lila Farbmix, an dem eine Schleppe angenäht ist. Dann beginnt sie, sich bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen. Ein Raunen geht durch das Publikum, manche Zuschauer flüstern erschrocken "Aua".

Lili Paul-Roncalli tritt als "Schlangenfrau" auf

Von Mittwoch bis Sonntag, jeweils zweimal am Tag, tritt Lili Paul-Roncalli in ihrer Rolle als Kontorsionistin auf. "Ich verbiege mich mit meinem Körper", erklärt sie den Begriff lachend. Diese akrobatische Darbietung ist auch als "Verbiegekunst" oder "Schlangenfrau-Darstellung" bekannt und setzt eine extreme Beweglichkeit voraus. An den Tagen, an denen Paul-Roncalli nicht in der Manege steht, macht sie viel Sport. Unter anderem Pilates. "Das ist ein gutes Ausgleichstraining." Montags und dienstags hat sie frei, das sind dann die Tage, an denen sie es "ruhiger angehen" lässt. Dann ist Zeit für lange Spaziergänge und Regeneration.

Sport, Meetings, Interviews und dann zwei Auftritte im Zirkus: Die Tage von Lili Paul-Roncalli sind lang. Und voll. Doch das macht der 27-Jährigen gar nichts aus. Sie ist gerne beschäftigt, wie sie erzählt. Ihr Donnerstagmorgen hat um 9.30 Uhr mit einer Pilates-Stunde in Haidhausen begonnen. Danach ging es um 11.30 Uhr direkt weiter mit einem Marketing-Meeting. Im Anschluss folgen Pressetermine, dazwischen muss sie noch mit ihrem Chihuahua-Pudel-Mischling spazieren gehen, und dann ist es schon Zeit für ihren Auftritt in der Zirkusmanege.

Routine ist für die 27-Jährige ein Fremdwort. "Jeder Tag ist anders", sagt sie lachend. An Showtagen beginnt sie meist um 13 Uhr, sich fertig zu machen. Um 14 Uhr geht sie dann in die Manege, checkt die Kostüme und wärmt sich auf, bis sie um 16 Uhr ihren Auftritt hat.

Mit 17 hatte Lili Paul-Roncalli ihren ersten Auftritt

Bereits mit sechs Jahren war der Zirkustochter klar: Sie will auch im Zelt auftreten. Damals fiel eine Künstlerin aus, und ein Ersatz musste her. Es kam eine Kontorsionistin. "Und wie das immer so ist, wenn jemand Neues da ist, schaut man das sich auch an", erzählt die gebürtige Münchnerin. "Ich habe mich schon immer ein bisschen verbogen und dachte dann: Das werde ich, wenn ich groß bin." Anfangs noch locker und spielerisch, begann Paul-Roncalli dann mit dem Training. Später wurde es dann "ernster und konkreter". "Das war schon auch der Kindheitstraum."

Viele Jahre verbrachte sie mit dem Training, bis sie zum ersten Mal mit 17 Jahren in der Manege allein mit ihrem Programm auftrat. Zuvor hatte sie bereits gemeinsam mit ihren Geschwistern eine Rollschuhnummer dargeboten. Auch am Tag der offenen Tür oder während der Weihnachtsproduktionen trat sie immer mal wieder auf. "Das ist natürlich auch nicht so einfach, wenn man nebenbei noch Schule hat."

So verbrachte Paul-Roncalli die ersten zwei bis drei Jahre in Köln noch einen ganz normalen Schulalltag. "Meine Mama ist dann am Wochenende immer zum Zirkus gependelt, egal, wo der war." Für sie sei das schwierig gewesen: Sie wollte am liebsten auch immer im Zirkus sein. Bis es dann die "Schule für Zirkuskinder" gab. Mithilfe von Onlinekursen und Lehrern, die mit dem Zirkus von Ort zu Ort reisten, wurden die Roncalli-Kinder bereits im Grundschulalter mit diesem Schulsystem unterrichtet. So passten sich Alltag und Ferien dem Zirkus-Rhythmus an. "Das war eine schöne Kindheit und ein tolles Schulsystem."

Heute ist die 27-Jährige nicht nur ein fester Bestandteil des Roncalli-Zirkusprogramms, viele Deutsche dürften sie auch als Gewinnerin der TV-Show "Let's Dance" kennen. Nebenbei arbeitet die Unternehmerin und Artistin als Model: So posierte sie als Werbegesicht unter anderem für Magnum oder Lascana.

Fernab von Glanz und Glamour des Showbusiness ist Paul-Roncalli zudem als Autorin tätig: Neben einem Kinderbuch veröffentlichte sie gemeinsam mit ihrer Mutter in der Corona-Zeit ein italienisches Kochbuch.

Lili Paul-Roncalli über ihre München-Liebe und ihre Beziehung

Dass sie jetzt bis zum 7. Dezember in ihrem Geburtsort München auftreten kann, freut Paul-Roncalli sehr. "Ich finde, dass München eine wahnsinnig schöne Stadt ist, in der man sich immer wohlfühlt." Sie schwärmt von der Gemütlichkeit der Stadt, ihren Wirtshäusern, dem guten Essen und den meist doch kurzen Wegen. Die 27-Jährige hat immer noch viele Freunde in der Stadt, die sie trifft, wenn der Zirkus hier gastiert. "München ist eine Stadt, in der ich mich immer schon wahnsinnig wohlgefühlt habe und auf die ich mich freue, sie auch für einen längeren Zeitraum zu besuchen." Ob es für sie noch Zuhause ist? "Für mich ist Zuhause kein Ort, sondern ein Gefühl."

Neben Zirkusauftritten, Sport, Freunden und ihrer Modelkarriere hat die 27-Jährige auch einen Partner. Ex-Profi-Tennisspieler Dominik Thiem (32) war und ist laut Paul-Roncalli immer noch viel unterwegs, "und ich glaube, wenn beide diesen Alltag kennen und das Reisen von klein auf gewohnt sind, dann ist es relativ einfach". Somit müsse keiner der beiden zu Hause auf den anderen warten. "Wir sehen uns regelmäßig und versuchen, unsere Freizeit miteinander zu verbringen."

Lili Paul-Roncalli gibt Ausblick auf mögliches Karriere-Aus

Das Circus-Theater Roncalli tritt seit 2018 ohne Tiere auf – ein durchaus zukunftsträchtiges Modell, findet Paul-Roncalli. "Ich kann es mir ehrlicherweise nicht anders vorstellen. Ich glaube, dass mittlerweile ein anderes Bewusstsein für Tiere im Zirkus da ist und sich auch die Gegebenheiten stark verändert haben." Vor 50 Jahren habe es noch riesige Zirkusplätze gegeben, auf denen die Zirkusse aufgebaut wurden und die Tiere Auslauf hatten. "Und auch die Autobahnen waren nicht so voll wie heute. Im Hochsommer mit den Tieren auf der Autobahn zu stehen, wird irgendwann nicht mehr machbar sein."

Auch ihre eigene Darbietung hat zeitliche Grenzen. "Das kommt natürlich darauf an, wie lange der Körper das mitmachen kann." Das Jubiläumsjahr 2026, wenn das Circus-Theater Roncalli 50-jähriges Bestehen feiert, wolle sie auf jeden Fall noch mitnehmen. "Und dann schaue ich noch mal, was der Körper so sagt. Man wird ja auch nicht jünger."