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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erster Blick in neue Brauerei "Münchner Kindl"-Bier soll auch aus Holzfässern kommen

Sechs große und eine kleine Brauerei dürfen ihr Produkt offiziell "Münchner Bier" nennen. Nun kommt bald eine weitere hinzu: die "Münchner Kindl". Ein Besuch auf der Baustelle.
Am Anfang dieser Geschichte steht – und das könnte passender kaum sein – ein Maßkrug. Jedoch kein gläserner, wie er hier am südlichen Stadtrand von München bald mit hausgebrautem Bier über den Tresen gehen soll. Sondern ein mannsgroßer Maßkrug zum Aufblasen – als Luftmatratze für den Badesee.
Mit dieser Geschäftsidee seien seine zwei Söhne 2015 auf ihn zugekommen, erinnert sich Dietrich Sailer. Und weil er den Einfall durchaus charmant fand, wollten sie kurz darauf zum Patentamt, um sich die Rechte an dem Aufblas-Maßkrug zu sichern.
Bei der Recherche sei er dann jedoch auf die verschiedenen Marken der Münchner Brauereien gestoßen, erzählt Sailer, der sich kurz zuvor nach 40 Jahren als Gesellschafter aus dem Hofbräuhaus Traunstein zurückgezogen hatte. Und da habe er einen Namen entdeckt: "Münchner Kindl Brauerei." Diese produzierte von 1880 bis 1905 ein Bier, das sich in der Stadt großer Beliebtheit erfreute. In der Folge wurde die Brauerei vom Unionsbräu übernommen, das 1921 wiederum in der Löwenbräu aufging.
Unternehmer Dietrich Sailer sicherte sich die Namensrechte
Als Sailer dort wegen der alten Marke anklopfte, zeigte man kein Interesse. Und so sicherte sich der Unternehmer aus Traunstein die Namensrechte und fasste einen ehrgeizigen Plan: die Wiederbelebung des "Münchner Kindl Bier". Fast zehn Jahre später steht Sailer vor einem imposanten Backsteingebäude, dessen kirchliche Anmutung – zwei Seitenschiffe umrahmen ein mächtiges Mittelschiff – trotz der Baugerüste deutlich erkennbar ist. "Wir sind auf der Zielgeraden", sagt der Brauer in fünfter Generation zufrieden.
Anfang nächsten Jahres soll hier auf dem Gelände an der Tegernseer Landstraße im Stadtteil Fasangarten eine "gläserne Brauerei" eröffnen – samt Gaststätte und Getränkemarkt, einem Pferdestall mit Brauereirössern sowie einem kleinen Museum.
Und natürlich einem Biergarten, in dessen Zentrum ein alter Eiswaggon stehen wird, in dem vor mehr als hundert Jahren mit Stangeneis gekühltes Bier durch die Lande transportiert wurde. Jenes historische Gefährt ist heute schon an seinem Platz und dient Sailer sowie seinen Söhnen Leo und Luis als Büro.
Giesinger Bräu kommt als siebte Brauerei hinzu
Nahezu täglich fährt der 68-Jährige aus Traunstein hierher, um auf der Baustelle nach dem Rechten zu sehen. Wieso er sich in einem Alter, in dem andere in den Ruhestand gehen, dieses XXL-Projekt aufgehalst hat? "Ganz einfach, weil das meine Passion ist", sagt er. "Außerdem wollen wir das Image des Münchner Biers aufbessern."
Genau diesen Namen darf das Produkt seiner Brauerei künftig offiziell tragen. Schließlich erfüllt sie beide Voraussetzungen, um den geschützten Begriff "Münchner Bier" zu verwenden. Hierzu muss zum einen im Stadtgebiet und zum anderen mit Münchner Quellwasser gebraut werden.
Dies tun nicht nur die großen sechs Brauereien der Stadt – also Augustiner, Hacker-Pschorr, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten. Unlängst ist auch noch eine siebte hinzugekommen: das einstige Garagen-Start-up Giesinger Bräu, das Ende 2021 in der Lerchenau eine neue Produktion samt Tiefbrunnen eröffnet hat.
In 250 Meter Tiefe auf Wasser gestoßen
Als achte Brauerei wird nun also die "Münchner Kindl" an den Start gehen, die hier in Fasangarten 250 Meter tief gebohrt hat, um an das Wasser für ihr Bier zu gelangen. Eine Frage drängt sich da natürlich auf: Welche Folgen hat all das fürs Oktoberfest, wo ausschließlich Münchner Bier ausgeschenkt werden darf?
Steffen Marx, der Chef des Giesinger Bräu, hat mehrfach betont, dass er sein Bier in "zwei bis drei Jahren" in einem der großen Wiesn-Zelte ausschenken will. Aktuell findet auf dem Giesinger-Gelände im Münchner Norden – quasi als Testlauf fürs Oktoberfest – ein zweiwöchiges Starkbierfest statt. Dort hat sich Marx überzeugt gezeigt, dass seine Brauerei bereit sei für die Wiesn. Allerdings braucht es dafür einen Beschluss des Münchner Stadtrats.
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"Oktoberfest? Wir haben ganz andere Themen"
Sollte der Stadtrat dem Giesinger Bräu tatsächlich den Weg zum Oktoberfest freimachen, dann würde sich als nächste Kandidatin sogleich die "Münchner Kindl Brauerei" aufdrängen. Wobei deren Chef Dietrich Sailer beim Thema Wiesn zurückhaltender ist als Giesinger-Chef Steffen Marx. "Ich will nicht ausschließen, dass das langfristig mal ein Ziel ist", sagt der 68-Jährige. "Aber im Moment pressiert's uns nicht. Wir haben ganz andere Themen."
Zumal seine Brauerei ihr Heil ganz klar in der Nische suchen wird. "Was wir hier in einem Jahr brauen, das braut Augustiner an zwei Tagen", sagt Sailer. Und doch gibt sich der Unternehmer überzeugt von seinem Konzept, das nicht nur auf eine altbekannte Marke, sondern auch auf den Zustrom von Touristen setzt, die etwa durch Führungen, Verkostungen und Bierseminare in die gläserne Brauerei gelockt werden sollen.
Bier aus Holzfässern und von der Bierkutsche geliefert
Vor allem aber will "Münchner Kindl" traditionsbewusste Biertrinker ansprechen. Oder wie es Sailer formuliert: "Ich glaube, dass rechts von Augustiner noch Platz frei ist." Entsprechend wird seine Brauerei lediglich ein Helles, ein Dunkles und saisonal ein Bockbier brauen. Pils und Weißbier sind ebenso tabu wie eine alkoholfreie Variante. "Das passt nicht zu unserer Überzeugung", sagt Sailer.
Stattdessen setzt er neben herkömmlichem Flaschenbier auf Bier aus Holzfässern, ausgeliefert von einem historischen Plateauwagen, der nebst Bierschlitten und Bierkutsche bereits im Brauereigebäude steht. Allein von einem aufblasbaren Maßkrug ist hier weit und breit nichts zu sehen. Diese Idee hätten seine Söhne alsbald wieder aufgegeben, sagt Sailer. Stattdessen arbeite man nun zu dritt an einer "echten Familienbrauerei".
- Reporter vor Ort auf der Baustelle der "Münchner Kindl Brauerei"